Der Euro bremst sogar Deutschland aus
Auch das aktuelle Papier, eine Langzeitbetrachtung über die „reale Konvergenz in der Euro-Zone“, war der EZB eine solche Hintergrundrunde wert. Immerhin geht es um eine der besonders heiklen Fragen der Währungsunion.
Nämlich die, wie sehr der Euro seit seiner Einführung im Jahr 1999 die in ihn gesetzte Erwartung als Motor für das wirtschaftliche Zusammenwachsen Europas tatsächlich erfüllt – oder ob er gar im Gegenteil die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedsländer vergrößert hat.
Die Studie aus den Reihen der EZB-Ökonomen kommt zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis. Demnach zeigt sich selbst 18 Jahre nach der Euro-Einführung noch ein starkes Nord-Süd-Gefälle im Währungsraum. Spätestens seit der Finanzkrise ist die Schere zwischen den Euro-Staaten sogar noch weiter aufgegangen.
Spanien konnte nicht aufholen
Es sei „frappierend“, schreiben die Autoren, dass die Gemeinschaftswährung die wirtschaftliche Annäherung der zwölf frühen Mitglieder der Euro-Zone nicht wesentlich gefördert habe: „Anders als ursprünglich erwartet, hat die Einführung des Euro kaum als Katalysator schnellerer Konvergenz gewirkt.“
Das betrifft vor allem den Süden der Euro-Zone. So habe beispielsweise Spanien in Sachen Einkommensentwicklung den Rückstand zum EU-Durchschnitt binnen 18 Jahren nicht wettmachen können, heißt es in dem Bericht. Anfängliche Zuwächse seien durch die Schuldenkrise wieder zunichtegemacht worden.
Italien sei seit Beginn des Euro sogar immer weiter zurückgefallen. Der Mittelmeerstaat, der ursprünglich beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu den eher wohlhabenden Ländern im Euro-Raum gehörte, sei mittlerweile sogar in die Gruppe der ärmeren Staaten abgerutscht.
Die Folgen der Weltfinanzkrise in den Jahren 2008/09 erklärten diesen Absturz nur teilweise. Vielmehr seien die Probleme in dem von strukturellen Schwächen und chronischer Wachstumsschwäche gebeutelten Land auch hausgemacht, schreiben die Autoren weiter.
Italiens Wohlstand fällt
Zwar handelt es sich bei der Studie nur um einen Fachaufsatz einiger EZB-Ökonomen sowie einer Gastautorin aus der Slowakei. Das Papier spiegelt nicht unbedingt die Hausmeinung der EZB wider. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Zentralbank eine derart kritische Analyse so prominent veröffentlicht.
Allerdings macht es der Aufsatz seinen Lesern nicht besonders einfach: Viele Formulierungen sind recht vage gehalten, und auch die Grafiken bilden nicht auf einen Blick die Ergebnisse ab, sondern zeigen nur ausschnittsweise, wie es um die Konvergenz in der Währungsunion bestellt ist. Nicht-Ökonomen müssen sich die Ergebnisse der Publikation daher wie ein Puzzle zusammensetzen.
Die Zahlen sind alarmierend. Italiens Pro-Kopf-Einkommen betrug vor dem Start des Euro noch 122 Prozent des EU-Durchschnitts. 18 Jahre später beträgt der Wohlstand nur noch 96 Prozent des Durchschnitts. Spanien verbesserte sich zwar von 93 Prozent um zehn Punkte auf 103 Prozent. Jedoch war dieser Anstieg vor allem auf einen Immobilienboom zurückzuführen, der nicht dauerhaft Bestand hatte.
Die Konvergenzzahlen räumen auch mit einem Mythos auf. So ist Deutschland keineswegs der große Euro-Gewinner, wie das immer wieder behauptet wird. Gerade in den ersten Jahren der Währungsunion ging es mit dem deutschen Wohlstand in Relation zur gesamten EU abwärts. 1998 lag das BIP pro Kopf bei 125 Prozent des Schnitts, Ende 2016 nur noch bei 123 Prozent.
Deutschland bleibt hinter seinem Potenzial zurück
Wie ausgeprägt die Unterschiede sind, zeigt eine Grafik im hinteren Fünftel der Studie. Dort findet sich ein Balkendiagramm, das die hypothetische Wohlstandsentwicklung im Euro-Raum mit der tatsächlichen vergleicht. Zu den großen Gewinnern zählen danach Irland sowie die baltischen Staaten. Deutschland taucht als leichter Verlierer im Mittelfeld auf. Zu den großen Verlierern zählen Griechenland, Portugal, Italien und Zypern.
Dennoch gehen die Volkswirte nicht so weit, dem Euro die Schuld für das Elend zuzuschreiben. Viele Länder hätten schon lange vor dem Beitritt an globaler Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, mahnen die Autoren. Tatsächlich lassen die Ergebnisse durchaus den Schluss zu, dass vor allem jene Länder mit dem Euro gut gefahren sind, die sich weitgehend an die Regeln gehalten haben, beispielsweise die baltischen Staaten, die Slowakei oder die Niederlande.
Abgerutscht sind dagegen die Regelbrecher, die mit einer gelernten Kultur der Abwertung der eigenen Währung dem Euro beigetreten sind. Irland wiederum hat von seiner Positionierung als Niedrigsteuerland profitiert, eine Taktik, die nicht wenige Experten als unfair bezeichnen.
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